Christa Schechtl's
"Der Schrei" 3

Hans -
Der Hund
draussen vor der Tür

In meinem Tierheimdorf Ciorescu leben viele Hunde. Auf der Straße, bei Besitzern und meist an der Kette. Eines Tages sehe ich auf der Fahrt in mein Tierheim plötzlich einen verstörten, wunderschönen schwarzen Wuschelhund herumirren, mit einer kiloschweren Kuhkette um den Hals. Wie sich das Tier von diesem Ungetüm losreißen konnte, ist mir bis heute ein Rätsel. Wir schafften es, das verängstigte Wesen einzufangen und in mein Tierheim zu bringen. Hans wird es genannt. Er wird versorgt, bekommt Zärtlichkeiten, die er sich auch gut gefallen lässt. Er war nicht älter als acht Monate und ein echter Charme-Schlingel. Er entwickelte sich rasch sehr selbstbewusst und wollte sich ungern ins Rudel einfügen. Es gab Ärger. Er mochte die anderen Hunde nicht und die ihn nicht. So beschlossen wir, Hans wieder im Dorf freizulassen. Er war stark, bildschön und hatte viel Charme.

Valentina (li.) und ihre Kinder haben Hans nun endgültig in ihr Haus aufgenommen. Mitte: Tierärztin Tatjana.

Ich will hinein! Zwei Tage und Nächte verbrachte Hans vor unserem Tierheimtor und wartete auf Einlass. Die umsorgten Tage wollte er wieder genießen.

Er würde sich durchschlagen, dachten wir. Also wurde Hans vor die Tür gesetzt. Die ersten Minuten genoss er auch ganz offensichtlich.

Er fegte durch die neu gewonnene Freiheit, die Wiesen und Hügel vor unserem Tierheim. Als er unseren Blicken entschwand, waren wir der festen Überzeugung, das Richtige getan zuhaben. Wir irrten! Denn was dann geschah, ja, damit hatten wir nie gerechnet: Nach ein paar Stunden stand Hans wieder vor unserem Tierheim und wartete auf Einlass. Was nun? "Der geht schon wieder weg", meinte Valentina, meine Tierpflegerin, die hier im Dorf wohnt.Valentina irrte. Hans muss wohl zum ersten Mal in seinem Leben Aufmerksamkeit, Liebe, Zuneigung und ausreichend Futter bekommen haben. Er wollte dieses Schlaraffenland nicht mehr verlassen. Zwei Tage und Nächte harrte er vor unserem blauen Tierheimtor aus, um eingelassen zu werden. Wir brachten ihm Futter, Wasser und Leckerlis.Auf Dauer keine Lösung.

Inzwischen spielten Valentinas Kinder mit Hans, denen er sich vertrauensvoll anschloss. Ein Weg? Ich schmeichelte Valentina, Hans in ihre Familie aufzunehmen. "Das war auch schon mein Gedanke, Christa", sagte sie. "Ich muss nur noch mit meinem Mann sprechen." Heute lebt Hans in Valentinas Familie, zusammen mit Mischlingshündin Laika. Seine Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Nun hat Hans ein eigenes Zuhause mit einer Spielgefährtin, einem Garten - und nie mehr eine Kette um den Hals. Hans hat sein Schicksal selbst in die Hand genommen. Sein bisheriger Besitzer hat sich nie bei uns im Tierheim gemeldet. Davor hatten wir am meisten Angst.

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