Christa Schechtl's
"Der Schrei" 3

Tatort: Moldawien
Das Leid der blinden
Claire

Die Tat ist ungeheuerlich und grausam. Ich möchte sie Ihnen, liebe Leser, trotzdem zumuten, damit Sie vielleicht besser verstehen, warum es so wichtig ist, in Moldawien ein Pflänzlein Tierschutz zu säen. Es war Montag, der 25. September 2006, als Hundebaby Claire friedlich durch die Wiese tapste. Sie wollte spielen, als Kinder auf sie zukamen. Und dann geschah das Unfassbare: Die Kinder packten das 10 Wochen alte, unschuldige Wesen, steckten es in einen Kanister, hielten es fest und stachen ihm beide Augen aus. Die Schmerzen müssen unvorstellbar gewesen sein. Claire schrie und schrie. Tierfreundin Maria hörte die Schmerzensschreie, lief zu dem gepeinigten Tier und rettete Claire womöglich noch vor weiteren Grausamkeiten. Die Kinder liefen davon. Tränen überströmt bringt Maria die schwerverletzte Claire in mein Tierheim. Tierärztin Tatjana gibt ihr sofort schmerzstillende Spritzen und behandelt die Augen.

September 2006: Claire kommt mit ausgestochenen Augen in unser Tierheim. Sie ist tagelang unter Schock, schreit bei jeder Berührung

Bettet das arme Tier in ein kuscheliges Nest. Ich war gerade vor Ort und habe alles miterlebt. Immer wieder versuche ich, den kleinen Körper zu streicheln, um zu signalisieren: hier bist du in Sicherheit. Doch Claire drückte sich in die hinterste Ecke, zitterte, stand unter Schock. Nach ein paar Tagen konnte ich Claire auf den Arm nehmen. Ihr Köpfchen schmiegte sich an meinen Hals. Meine Gedanken wirbelten. Warum machen Kinder so etwas? Wo muss man da ansetzen? Und auch: Was ist das für ein Leben in vollkommener Dunkelheit? Zurück in Deutschland, lasse ich Claire in der Obhut von Tatjana. Ende Oktober 2006 werde ich mit dem Auto nach Moldawien fahren, um vier Hunde, darunter Claire, mit nach Deutschland zu holen. Inzwischen holte ich mir Informationen über blinde Hunde ein. Ein blindes Baby, wie geht man damit um? Meine Recherchen waren aufschlussreich, aber im Endeffekt war ich so schlau wie vorher.

Die Hälfte meiner befragten Personen, darunter Tierärzte und Tierheimleiter, waren für das Einschläfern, die anderen sahen ein lebenswertes Leben, auch für ein blindes Tier. Mit dem Gedanken, für Claire hier in Deutschland ein geeignetes, optimales Heim zu finden, fuhr ich am 18. Oktober 2006, zusammen mit einer Freundin, mit meinem VW Caddy über Österreich, Ungarn, Rumänien nach Moldawien. Ich war gespannt auf das Wiedersehen mit Claire. Doch welch eine Enttäuschung. Eine grenzenlose Traurigkeit überfiel mich. Ich fand Claire in einem katastrophalen Zustand. Sie kauerte zitternd in einer Ecke, fertig mit der Welt. Tierärztin Tatjana: "Christa, wir haben alles getan, was wir konnten. Sobald nur ein Hund oder Katze in ihre Nähe kam und sie berührte, fing sie zu schreien an. Sie schrie sehr viel."

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